Die Woche des Föhns

Das war eine besondere Woche – am Ende des Beitrags könnt Ihr Bennis Zusammenfassung lesen, hier aber schon mal Bilder. Aber – bevor Ihr zu Lesen anfangt, geht mal hier hin und laßt die Musik im Hintergrund laufen – der perfekte Soundtrack zu unseren Erlebnissen.  

Die ersten Flüge machten Vincent und Mathias und Oliver Wolfinger in seiner Ka6 (!) am Freitag, den 18.11. Oliver, der traut sich was…

Vincents Bilder:

Samstag regnete es, aber am Sonntag nahm der Föhn wieder Fahrt auf und Vincent und Michi im Arcus und Benni und Lukas im Duo stürzten sich in den Sturm.
Außerdem waren die Ritter Tim und Jan mit ihrer Califenrüstung zu Besuch und erweiterten die Runde. Die kamen aber Sonntags nicht wirklich weit…

Tims Bilder – mit Esel- statt Kuhweide.

 

Montag war dann der beste Tag, Martin Kulp aus Antersberg suchte auch noch Zuflucht bei den Isartalern. Aber am Morgen war erst mal lustiges Kratzen angesagt, denn sowohl der Calif, als auch Martins Duo hatten ganz schön Eis angesetzt, und bis das erstmal alles weg war, verging eine Stunde.
Benni und Vinc starteten als erste kurz nach Sonnenaufgang, Dank an Michael Depping für die Frühstarts!! Zum Glück funktionierte die Kochelseewelle hervorragend, denn es gab keine zweite Schleppmaschine, so hätte jeder Schlepp nach Mittenwald locker 35 Minuten oder länger dauern können.

Es flogen außerdem noch: Mark Fingerle in der 2C, Michael und Wolfram im Duo und natürlich Jan und Tim im Califen.

Die Frequenz von Innsbruck Radar wurde zwangsläufig zu unserer Quasselfrequenz, so viele Freigaben wurden erbeten. Flugfläche 150 war bald schon die Standardhöhe, in die wir auch ohne Transponder durften, es war die reine Freude. An dieser Stelle allerherzlichsten Dank an die Controllerinnen und Controller in Innsbruck, die so großartig mitgespielt haben!

Wolframs und Michis Bilder:

 

Und hier wie angekündigt Bennis Epilog:

Liebe Freunde,

So viele Flugtage in Folge hat uns der hl. Blasius schon lange nicht mehr geschenkt. Danke an alle, die geflogen sind und ihre Erfahrungen auf einschlägigen Wegen (Bilder, IGC-Dateien) geteilt haben. Das liefert uns einen Haufen Stoff zum Überlegen, und ich bin sicher nicht der einzige, den die vergangene Woche noch lange Zeit beschäftigen wird.

Danke auch an alle, die nicht fliegen konnten, aber trotzdem per mobilem Internet die Piloten begleitet haben und am Tracking und Satellitenbild mitgefiebert haben. Jan und ich haben den Eindruck, dass es zunehmend Früchte trägt, wenn die Föhn-Gemeinschaft ein bisschen mehr zusammen rückt, durch Kommunikation und Kooperation.

Ich komme gerne der Bitte nach, die Tage hier in der Mailingliste kurz durchzugehen und zu kommentieren. Wer außerdem noch etwas zu sagen hat, der soll dies gerne auch tun!

Wetterlage:
Das Island-Tief beult am Donnerstag einen Trog nach Süden aus, der vorderseitig üblich Südwestwind erzeugt. Der Trog lässt eine Kaltfront nach Osten über Europa ziehen. Das ist ein normaler, ein- bis zweitägiger Föhnvorgang. Im Normalfall bricht das Drucksystem frontrückseitig zusammen, so dass die Lage mit einsetzendem Regen endgültig beendet ist. Nicht so am Samstag (Frontdurchgang): Stattdessen schiebt sich ein neuer Tiefdruckkern von Nordwesten über die Biskaya und füttert den Trog, der sich frontrückseitig weiterhin stationär halten kann, und zwar diesmal bilderbuchmäßig mit Kern über der Biskaya-Bucht (die Isobaren waren tangentenstetig an die Küsten-Ecke angelegt, fantastisch!).
Der auf diese Weise glücklich stabil stehende Trog beginnt sich immer weiter nach Süden auszubreiten, löst sich irgendwann als Tropfen von der Polarfront ab und lässt den Druck schließlich doch zusammen brechen. Das passierte erst am Mittwoch/Donnerstag.
Fliegbar waren Freitag (normaler präfrontaler SW-Föhn), Sonntag (erster Tag nach Frontdurchgang, noch viel Westwind), Montag (bester Tag; Südwind; Trogposition optimal an der Biskaya), Dienstag (Trog tropft langsam nach Süden ab) und Mittwoch (nur noch lokal).
Während ich diese Zeilen schreibe – es ist Donnerstag Mittag – meldet der Patscherkofel immer noch 170°/34 kt, da der Brennerstrahl immer noch nachläuft. Ich bekomme gerade Fotos von Ski-Freunden, die immer noch zerrissene Lentis bei Kitzbühel zeigen. Der Rest-Tief-Tropfen befindet sich jetzt über dem spanischen Festland und läuft langsam auseinander, dennoch ist die Südströmung noch vorherrschend. live.glidernet.org meldet heute keine Flugzeuge mehr im Schweizer Wellensystem – scheinbar ist es vorbei.
Brisant an der vergangenen Wetterlage war das völlige Fehlen von Jetstream-Unterstützung aus der oberen Atmosphäre. Oberhalb von 5000 Metern (am Montag 4000, am Dienstag 3000) nahm der Wind stark ab, er war also nur in den unteren Schichten sehr gut ausgeprägt.

Ein ausschließlich von unten angetriebener Föhn mit solcher Andauer (der „Föhnwinter 2013“ war hingegen ein durchgehender Jetstream und nicht von untern angetrieben) ist sehr selten. Mir war die Qualität der Lage nicht so bewusst, weil ich bis zum letzten Moment skeptisch ob des fehlenden Höhenwindes war. Seit Montag soll mir der Höhenwind für die Ostalpen auf ewig egal sein….

Freitag:
Vincent und Mathias schaffen es bis nördlich des Walensees. Reinhard erreicht im Osten den Dachstein. Oliver fliegt 200 km mit einer Ka6 (!) zwischen Lechtal und Karwendel. Der Tag war nicht schlecht, allerdings mit apokalyptischer Westwindkomponente. Die Schenkel nach Westen nahmen somit einen Großteil der Tageszeit ein (ein echter km-Verhinderer). Die meisten Piloten meiden die Hänge, da die Westwindkomponente stört, und vor allem weil die Täler unten noch sehr kalt sind (erster Föhntag, späte Jahreszeit) – in den Tälern außerhalb des Brennerstrahls scheint es weitgehend windstill und damit nicht hangfliegbar gewesen zu sein. Ausnahme scheinbar Ennstal.
Bemerkenswert: Die COSMO-DE-Wellenvorhersagekarte hat sehr gut gepasst und war eine große Hilfe auf der Moving Map im Flug.

Samstag:
Frontdurchgang. Wie war eigentlich der Streckenfliegernachmittag in Unterwössen? Ich wäre gerne gekommen, aber die Vorbereitungen für Sonntag / Montag ließen mir keine Zeit.

Sonntag:
Sehr ähnliche Wind- und Wetterlage wie am Freitag, allerdings postfrontal und daher sehr viel trockener. Der Höhenwind dreht stark auf West und ist außerdem schwächer, dafür ist der tiefe Wind südlicher, was die Hangflugmöglichkeiten verbessert (auch wenn Täler wegen Kaltfrontdurchgang immer noch kalt sind).
Philipp Stahl stellt früh fest, dass Hangfliegen heute trotzdem noch nicht die beste Idee ist, und verbringt den Tag in der Zentralen Hauptkammwelle. Er fliegt dort oben über 600 Kilometer und arbeitet an der gemeinen Lücke zwischen Glungenzer- und Montafonwelle, die weiterhin ein Problem bleibt.
Die Straubs durchqueren das gesamte Schweizer System zwischen Montafon und Zweisimmen.
Peter Peyrer von Öblarn fliegt in der Welle der Niederen Tauern bis etwa Trieben. Bis auf die beschriebene Lücke im Mittleren Westen war also der gesamte Nordalpenraum per Welle befliegbar! Wer dieses Wissen von Straub über Stahl bis Peyrer zusammen schließt, kann einen Flug machen, der so meines Wissens bisher noch nicht dagewesen ist.
Die Lücke zwischen Innsbruck und Montafon lässt sich übrigens notfalls auch im Hang schließen, das haben Lukas und ich an diesem Tag ohne Probleme (dafür mit viel Turbulenz) gemacht.

Montag:
Ich zweifle zuerst, da die Modelle über 3000 – 4000 Metern fast keinen Wind vorhersagen. Trotzdem machen Vincent und ich einen Frühstart und erwischen am Alpenrand gleich die erste Welle mit 5 m/s. Der Einstieg und der Übergang an die Hänge im Inntal ist problemloser denn je. Mit viel Wellenunterstützung kommen wir ins Montafon, wo wir in 4000 m Windspitzen bis 160 km/h messen. Da das zu viel ist, wenden wir und gelangen nahezu im reinen Hangflug (stets mit dem Ausnutzen von Lee-Energie bei den Übergängen bzw. an nicht gehenden Hängen) bis zum Grimming. Der Wind ist zwar mit 200° sehr angenehm und auch im Osten noch über 70 km/h stark. Die 20 Grad Westkomponente machen uns auf dem dritten Schenkel dennoch langsam, und die Nordkette hat im Luv über 12 m/s Sinken für uns parat. Daher erreichen wir den Arlbergpass erst gut eine Stunde vor Sunset. Die Wellen von Wetterstein und Karwendel bringen abends zweistellige Steigwerte, allerdings nach oben sofort schwächer werdend. Die Strategie des schnellsten Fliegens ist am Montag ein relativ niedriger Flugstil, in dem die starken Lee-Steigwerte gezielt kurz und punktuell ausgenutzt und dazwischen die langen Hanglinien im Luv verfolgt werden. Auf diese Weise konnten wir ohne große Probleme über 950 Kilometer fliegen.
Reinhard gelangte an diesem Tag noch gut 100 km weiter nach Osten als wir. Auch in der Schweiz wurde trotz extremer Windbedingungen sehr gut geflogen (z.B. Grämer / Lüthi). Die Breite der Wetterlage war unvorstellbar. Am Vierwaldstätter See nahe Buochs wurden 150 km/h Bodenwind aufgezeichnet.
Philipp Stahl sowie Jan und Tim im Califen zeigten allesamt, dass der Wellen-Weg vom Montafon zum Glungenzer zumindest mit Rückenwindkomponente eine sehr gute Alternative zum Hang ist (auch wenn geschicktes Hangfliegen trotzdem Vorteile haben kann).

Dienstag:
Tim und Jan machen nochmal einen Frühstart in Königsdorf; sie sind dort die einzigen Übrigen. Trotz sehr viel schwächerem Wind und großen Problemen beim Einstieg erreichen sie die Montafonwelle, während sich die Föhn-Whatsapp-Gruppe über ihr seltenes, eisernes Fluggerät amüsiert. Ritter Tim bringt die beiden schließlich auf 3800m, höher geht es nicht, da der Höhenwind inzwischen völlig fehlt.
Sepp Holzapfel und Günter Siebinger fliegen vom Geratshof aus sogar noch etwas weiter nach Westen, wo sie überraschend 5000 m bei dort stärkerem Höhenwind erreichen.
Hermann Trimmel zeigt, dass die Hänge in der Steiermark auch an diesem Tag noch gut – wenn auch nicht hoch – nutzbar waren.
Im Bereich dazwischen zeugen zahlreiche Außenlandungen und Motorzünder von Bedingungen, die wieder die gleichen unberechenbaren Schwierigkeiten zeigen wie so oft.

Mittwoch:
Jan Jagiello zeigt von Hohenems aus, dass der nachlaufende Wind noch nutzbar ist, allerdings nur an den Hängen im Niveau weit unter 3000 Metern. Ansonsten sind kaum noch Flüge zu sehen…

Die Flüge dieser vier bis fünf Tage eröffnen Diskussions- und Analysestoff für lange Zeit. Ich wünsche allen, viel daraus lernen zu können.
Ein kurzes Wort noch zu den Innsbrucker Controllern: Die Arbeit, die dort auf dem Turm bereitwillig und geduldig für die Segelflieger geleistet wird, ist unglaublich, und sollte von allen Fliegern wertgeschätzt werden. Auch von Züricher Seite her ist die Unterstützung für das Föhnfliegen enorm.

Viele liebe Grüße und bis bald

– Benjamin